KEK | 12/2017 |

19. Jahresbericht der KEK: Unverminderter Reformbedarf und neue Kompetenzen

Die KEK hat heute ihren 19. Jahresbericht veröffentlicht, der über die Arbeit der KEK im Zeitraum vom 1. Juli 2016 bis zum 30. Juni 2017 informiert.


Beschlusspraxis
Im Berichtszeitraum hat die KEK über 31 Zulassungsanträge für bundesweit verbreitete private Fernsehprogramme entschieden. 15 Verfahren betrafen Veränderungen von Inhaber- und Beteiligungsverhältnissen, drei Verfahren die Vergabe von Sendezeiten für unabhängige Dritte. Zu den von der KEK entschiedenen Fällen zählten auch die geplante Übernahme des Medienkonzerns Time Warner durch den Telekommunikationskonzern AT&T in den USA und der von Rupert Murdoch bzw. 21st Century Fox beabsichtigte vollständige Erwerb des Pay-TV-Konzerns Sky plc. in Großbritannien. Diese in ihren Heimatmärkten wettbewerbsrechtlich und medienpolitisch nicht unproblematischen Megafusionen gaben der KEK aufgrund der geringen Zuschaueranteile der konzernzugehörigen Sender im deutschen Markt jedoch keinen Anlass zu einer vertieften Prüfung.

Neues Medienkonzentrationsrecht dringend erforderlich
Der KEK-Vorsitzende Prof. Dr. Georgios Gounalakis weist in diesem Zusammenhang jedoch auf die Gefahr hin, dass auch Fusionen internationaler Medienkonzerne mit einem der großen deutschen Medienunternehmen, wie etwa ein Zusammenschluss von Amazon, Netflix oder einem Telekommunikationsunternehmen mit ProSiebenSat1 oder der RTL Group, außerhalb einer vertieften Konzentrationskontrolle durch die KEK vollzogen werden könnten: „Das derzeitige Rundfunkkonzentrationsrecht macht der KEK eine Beurteilung crossmedialer Sachverhalte nahezu unmöglich. Nach Abzug der vom Gesetzgeber großzügig bemessenen Bonuspunkte erreicht – seit den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 2014 – keines der großen deutschen Fernsehunternehmen die geforderte Aufgreifschwelle, um Medienaktivitäten jenseits des bundesweiten Fernsehens in die konzentrationsrechtliche Prüfung aufzunehmen.“

Gounalakis unterstreicht daher die Forderung der KEK nach einem zeitgemäßen Medienkonzentrationsrecht, das der Konvergenz der Medien und dem veränderten Nutzungsverhalten Rechnung trägt. Die KEK tritt nach wie vor für den von ihr entwickelten Ansatz eines „Gesamtmarktmodells“ unter Einbeziehung aller publizistischen Medien ein. Der Medienvielfaltsmonitor der DLM könnte hierfür als Grundlage herangezogen und weiterentwickelt werden.

Zuschaueranteile der privaten Sendergruppen sinken
Dass der Rundfunkstaatsvertrag mit der Fokussierung auf das lineare Fernsehen dem Wandel in der Übertragungstechnik und im Nutzerverhalten nicht mehr gerecht wird, belegen auch die im Jahresbericht dargestellten Nutzungsdaten. Festzustellen ist ein weiterer Rückgang der klassischen Zuschaueranteile der großen privaten Sendergruppen im linearen Fernsehen. So ist der Zuschaueranteil der Programme der RTL Group von 26,1 % im Jahr 2010 auf 23,2 % im Jahr 2016 zurückgegangen. Die Programme der ProSiebenSat.1-Gruppe bewegen sich seit Jahren um die 20%-Marke und lagen 2016 bei nur noch 18,9 %. Die Anzahl der Fernsehprogramme steigt dabei nach wie vor: Zur Jahresmitte 2017 hatten 183 private Fernsehprogramme eine bundesweite Zulassung, davon waren 160 Programme auf Sendung. Im Berichtszeitraum nahmen 12 neue Programme den Sendebetrieb auf. Spartenkanäle bzw. Zielgruppensender gewinnen zulasten der großen Sender an Bedeutung. Zudem wachsen Angebot und Akzeptanz bezahlpflichtiger TV-Angebote.

Quelle: AGF in Zusammenarbeit mit GfK, TV Scope, Zuschauer gesamt; eigene Darstellung KEK

Steigende Bewegtbildnutzung im Internet
Der größte Teil der Bewegtbildnutzung entfällt zwar weiterhin auf das klassische lineare Fernsehen. Die tägliche Sehdauer der Gesamtbevölkerung (ab 14 Jahren) lag 2016 bei 239 Minuten. Im Vergleich dazu werden Onlinevideos mit einer täglichen Sehdauer von 11 Minuten in weitaus geringerem Umfang genutzt. Auch innerhalb der jungen Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen, die Onlinevideos am intensivsten nutzt, bleibt die tägliche Sehdauer von Onlinevideos mit 30 Minuten noch weit hinter dem linearen Fernsehen mit 119 Minuten zurück. Allerdings wächst die Bedeutung der Bewegtbildnutzung im Internet deutlich: Nach Erkenntnissen der ARD/ZDF-Onlinestudie nutzten im Jahr 2016 72 % der Bevölkerung ab 14 Jahren zumindest selten (2015: 65 %), 56 % wöchentlich (2015: 42 %) und 26 % täglich (2015: 20 %) Onlinevideos. Damit schaut derzeit bereits jeder Vierte der Gesamtbevölkerung täglich Videos im Netz an. Die gestern veröffentliche ARD/ZDF-Onlinestudie 2017 zeigt eine Stagnation der Bewegtbildnutzung im Netz. In der Gesamtbevölkerung gab es im Vergleich zum Vorjahr keine gravierenden Verschiebungen zwischen traditioneller Fernseh- und Online-Videonutzung. Diesen Trend bestätigt auch die aktuelle Erhebung von Kantar TNS für den Digitalisierungsbericht 2017 der Medienanstalten. Demnach schauen 70 % der Bevölkerung ab 14 Jahren (fast) täglich klassisches TV, 4 % nutzen Live-Streams, 8 % VoD und 4 % konsumieren selbst aufgezeichnete Sendungen.

Gutachten zu Onlinestrategien der Medienunternehmen
Dies und die mediale Macht großer Plattformen wie YouTube, Facebook, Amazon und Netflix lässt die klassischen Medienunternehmen neue Strategien entwickeln. Zum einen weiten sie ihre Onlineaktivitäten durch eine digitale Kopie oder digital angepasste Weiterentwicklung bestehender Marken und Formate aus, zum anderen werden die Digital-Portfolios auch durch Zukäufe abseits des bisherigen Kerngeschäfts erweitert. Die KEK hat hierzu ein Gutachten beauftragt, dessen Veröffentlichung für den Anfang des nächsten Jahres vorgesehen ist. Im Vordergrund steht dabei die Frage, inwieweit die Onlineaktivitäten der Medienunternehmen für sich betrachtet und im Verbund mit den weiteren Medienaktivitäten Einfluss auf die Meinungsbildung haben können und ob sie geeignet sind, die Meinungsmacht der Unternehmen zu festigen, zu verstärken oder auch zu schwächen.

Erfassung des Meinungseinflusses von Intermediären
Erkennbar verlagert sich aber auch Meinungsmacht aus dem Bereich der publizistisch-professionellen Anbieter in andere Bereiche, die in der rechtlichen Regulierung von Meinungsmacht bislang kaum Beachtung finden. So können Intermediäre ein erhebliches Maß an Meinungsmacht gewinnen. Diese erlangen sie nicht durch die Produktion und Publikation eigener Inhalte, sondern indem sie anderen Akteuren die Beteiligung an der öffentlichen Kommunikation ermöglichen und die Selektion von Informationen unterstützen. Bei der Auffindbarkeit von Online-Angeboten spielen sie eine zentrale Rolle und haben dadurch das Potenzial, die Meinungsbildung zu lenken. In einem konvergenten Medienkonzentrationsrecht sollten die Intermediäre daher als vielfaltsverstärkender oder -abschwächender Faktor Berücksichtigung finden. Der Jahresbericht gibt einen kurzen Überblick zu Nutzungsstudien und Regulierungsansätzen.

Einbeziehung der KEK in Kartellverfahren durch die 9. GWB-Novelle

Während die Reform des Medienkonzentrationsrechts weiterhin auf der Agenda der Medienpolitik steht, wurde im Berichtsjahr ein Aufgabenzuwachs der KEK im Wettbewerbsrecht verankert. Zur intensiveren Verzahnung von Kartell- und Medienrecht wurde in der 9. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) ein besserer Informationsaustausch zwischen Bundeskartellamt und KEK vereinbart. Zudem ist die KEK, in Verfahren der wettbewerbsrechtlichen Zusammenschlusskontrolle, die den Bereich der bundesweiten Verbreitung von Fernsehprogrammen durch private Veranstalter berühren, einzubeziehen: Vor der Untersagung eines solchen Zusammenschlussvorhabens und vor der Erteilung einer Ministererlaubnis ist demnach eine Stellungnahme der KEK einzuholen; die von der KEK vorgebrachten Aspekte der Meinungsvielfalt sind in der jeweiligen Entscheidung zu berücksichtigen. „Die Neuregelung ist aus Sicht der KEK sehr erfreulich. Die verstärkte Zusammenarbeit hilft, Zielkonflikte des Wettbewerbsrechts und des Medienkonzentrations-rechts zu vermeiden“, so Gounalakis.

Wichtige Daten und Übersichten zum Fernsehmarkt
Der aktuelle Jahresbericht enthält neben den erwähnten Punkten u. a. Informationen zur Entwicklung des bundesweiten privaten Fernsehangebots, Unternehmenssteckbriefe der wichtigsten im deutschen Fernsehmarkt aktiven Unternehmen und Übersichten zu Videoplattformen am deutschen Markt.

 

Pressemitteilung hier downloaden

 

Kontakt bei Medien-Rückfragen:
Prof. Dr. Georgios Gounalakis
Vorsitzender der KEK
Bernd Malzanini
Bereichsleiter Medienkonzentration

Telefon: +49 (0)30 2064690-61
Mail:      kek(at)die-medienanstalten.de
www.kek-online.de ▪ www.die-medienanstalten.de

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