EMFA-Workshop der KEK
Expertinnen und Experten diskutieren die Vorgaben des European Media Freedom Act (EMFA) zur Bewertung von Zusammenschlüssen
Der EMFA schreibt in Artikel 22 eine Bewertung von Zusammenschlüssen auf dem Medienmarkt neben der kartellrechtlichen Fusionskontrolle vor. Hieraus ergeben sich Fragen im Zusammenhang mit der praktischen Umsetzung dieser Vorgaben und der möglichen Verzahnung mit einer künftigen, novellierten Vielfaltssicherung im Medienstaatsvertrag. Ist das Verständnis von Vielfalt im Sinne des bestehenden nationalen Vielfaltssicherungsrechts und der Zielrichtung des EMFA deckungsgleich? Welche Vielfaltsgefährdungen werden in der Praxis gesehen und ergeben sich daraus neue Perspektiven für die erforderliche Vielfaltssicherung? Und wie sollte das Verfahren der Bewertung von Zusammenschlüssen nach dem EMFA ausgeformt und in das nationale Medienkonzentrationsrecht eingepasst werden?
Diese und weitere Fragen diskutierten im Rahmen des EMFA-Workshops der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) am 13. Mai 2025 in der Landesvertretung Rheinland-Pfalz in Berlin rund 65 Gäste mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Praxis und Politik.
EMFA und nationale Vielfaltssicherung durch die KEK
Zu Beginn der Veranstaltung wandte sich die Hausherrin, Frau Staatssekretärin Heike Raab, Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und für Europa und Medien, mit einem Grußwort an die KEK-Mitglieder und Workshop-Teilnehmenden. Darin betonte sie die Wichtigkeit einer zeitgemäßen Vielfaltssicherung, an deren Umsetzung die Länder aktuell arbeiten und die in Form des EMFA einen weiteren Impuls erhalten habe. Deutschland komme im Hinblick auf die bestehende Vielfalt und Transparenz in Europa eine Vorbildfunktion zu. Auch seien die erforderlichen Anpassungsbedarfe infolge des EMFA hierzulande im Vergleich zu anderen Mitgliedsstaaten eher gering. Dies sei auch ein Verdienst der Landesmedienanstalten und ihrer Gremien. Gerade die KEK sei in der Vergangenheit wiederholt wichtiger Impulsgeber für die Rundfunkkommission gewesen.
Im Namen der KEK begrüßte deren Vorsitzender, Prof. Dr. Georgios Gounalakis, die Teilnehmenden und stellte den EMFA im europäischen Kontext vor. Der EMFA bewirke bei der Medienkonzentrationskontrolle einen doppelten Paradigmenwechsel: Auf europäischer Ebene werde – neben der kartellrechtlichen – erstmals auch eine medienrechtliche Fusionskontrolle europaweit etabliert, sofern ein Mediendienste-Anbieter beteiligt sei. Das sei für die meisten europäischen Länder Neuland, weil sie – anders als Deutschland – neben dem Kartellrecht keine medienrechtliche Vielfaltsicherung kennen. Zudem gebe es europaweit ein unterschiedliches Verständnis von Vielfaltssicherung. Für das deutsche Recht bedeute der EMFA, dass die fernsehzentrierte Sicht aufgebrochen wird und die KEK künftig Fusionen prüfen kann, unabhängig, ob ein Fernsehsender beteiligt ist. Sie kann Mediendienste-Anbieter direkt in den Blick nehmen, was ein großer Fortschritt sei, weil Meinungsvielfalt auch im digitalen Umfeld gewährleistet werden kann. Die Länder seien nun gefragt, den EMFA national auszugestalten und auch das im Länderkreis diskutierte Sektorenmodel umzusetzen, das neben der Fusionsprüfung des EMFA auch eine sektorspezifische Gefährdungskontrolle vorsieht, die es erlaubt, bereits Gefährdungslagen im digitalen Umfeld frühzeitig zu erkennen.
Die KEK-Mitglieder Prof. Dr. Ralf Müller-Terpitz und Dr. Wolfgang Kreißig gaben in Form eines Keynote-Dialogs einen Überblick zum Entstehungsprozess des EMFA sowie zu dessen Einordnung im Schnittstellenbereich zwischen europäischer und nationaler Regulierung. Der EMFA beinhalte ein klares Bekenntnis zum Medienkonzentrationsrecht. Im EMFA sei allerdings lediglich von einer „Bewertung“ der Zusammenschlüsse die Rede, nicht von einer „Kontrolle“; auch blieben die Rechtsfolgen offen. Der mediengattungsübergreifende Ansatz des EMFA könnte auch entsprechende Ansätze bei der nationalen Meinungsvielfaltssicherung bestärken und flankieren. In jedem Fall erfordere der EMFA eine Überwindung der gegenwärtigen Fernsehzentriertheit hin zu einer gattungsunabhängigen Bewertung und Kontrolle von Zusammenschlüssen im Medienmarkt.
Neue Perspektiven einer Vielfaltssicherung?
Auf dem ersten Panel der Veranstaltung diskutierten Claus Grewenig, Vorstandsvorsitzender VAUNET / Chief Corporate Affairs Officer, RTL Deutschland, Dr. Konstantin Peveling, Referent für Medienpolitik und Plattformen, Bitkom und Prof. Dr. Holger Paesler, Geschäftsführer des Verbandes Südwestdeutscher Zeitungsverleger e. V. (VSZV) und Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Privater Rundfunk (APR) unter der Moderation des KEK-Mitglieds Dr. Thorsten Schmiege.
Die Paneldiskussion widmete sich dem Verständnis von Vielfalt, einerseits im Sinne des bestehenden Vielfaltssicherungsrechts, andererseits im Hinblick auf die Zielrichtung der Regelungen des EMFA. Angebots- und Anbietervielfalt seien unabhängig vom jeweiligen Übertragungsweg Kernelemente der Medienvielfalt. Maßgeblich sei zudem, was beim Nutzer „ankomme“. Vielfaltsgefährdungen würden in der Praxis aber nicht nur in Form von Zusammenschlüssen und daraus erwachsender Medienkonzentration gesehen, sondern auch in Bereichen wie dem Zugang zu Medienangeboten, personalisierten Selektionsprozessen durch Intermediäre oder etwa der Refinanzierbarkeit von Medienangeboten. Algorithmen seien dabei nicht per se vielfaltsverengend, es bedürfe aber des regulatorischen Eingreifens. Transparenzvorschriften alleine genügten nicht, es dürfe für die Plattformen keine „Freiheit ohne Verantwortung“ geben.
Zusammenschlusskontrolle nach dem EMFA - Impulse zur nationalen Umsetzung
In der zweiten Paneldiskussion wurden konkrete Umsetzungsfragen bezüglich der EMFA-Vorgaben zur Bewertung von Zusammenschlüssen auf dem Medienmarkt erörtert. Es diskutierten Steffen Häfele, Beisitzender der 6. Beschlussabteilung, Bundeskartellamt (BKartA), Thomas Petz, LL.M., Mitglied der KommAustria, und Prof. Dr. Christoph Wagner, Co-Chair Global Film & Entertainment Practice, Morrison Foerster unter der Moderation von KEK-Mitglied Prof. Dr. Anne Paschke.
Der EMFA gewährt dem nationalen Gesetzgeber gewisse Ausgestaltungsspielräume. Daher wurden Eckpunkte zur Ausgestaltung eines praxistauglichen Verfahrens erörtert, angefangen von Adressaten und dem Umfang der Meldepflicht über den Beurteilungsrahmen bis hin zu praktikablen Verfahrensfristen. Eine Herausforderung wird in einer homogenen Auslegung des EMFA in den Mitgliedstaaten gesehen. Richtlinien müssten unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe verhindern. Insbesondere durch den Blick in das Nachbarland Österreich wurde deutlich, dass dies aufgrund der bereits bestehenden Unterschiede in der Ausgestaltung der gegenwärtigen Vielfaltssicherung keine leichte Aufgabe sein wird.
EMFA und nationale Vielfaltssicherung durch die KEK
Dr. Matthias Knothe, Leiter der Stabsstelle für Medienpolitik in der Staatskanzlei Schleswig-Holstein, ist befasst mit der Reform des Medienkonzentrationsrechts und auch mit der Umsetzung der EMFA-Vorgaben in nationales Recht. Daher wurde mit Spannung erwartet, wie die Länder zu den im Rahmen des Workshops diskutierten Ansätzen stehen und wie der konkrete weitere Umsetzungsplan aussieht. Wenngleich die Beratung der Länder noch in vollem Gange ist, konnte Herr Dr. Knothe einen Zwischenbericht zum aktuellen Stand geben. Im Zentrum stand dabei das von den Ländern verfolgte „Sektorenmodell“, bei welchem losgelöst von Mediengattungen nach bestimmten Parametern Sektoren abgegrenzt und auf Störungen der Vielfalt hin untersucht werden können. Aufgrund des breiten Ansatzes dieses Modells werde die Kompatibilität mit dem EMFA grundsätzlich als hoch bewertet. Auch die Verpflichtung aus Artikel 6 EMFA zur Entwicklung von nationalen Datenbanken zum Medieneigentum werde bereits weitgehend durch die KEK-Mediendatenbank erfüllt. Herr Dr. Knothe sprach sich dafür aus, die Anpassung des Medienstaatsvertrags an den EMFA Hand in Hand mit der grundlegenden Reform des Medienkonzentrationsrecht anzugehen.
Der Vorsitzende der KEK dankte abschließend allen Teilnehmern für die aufschlussreichen Beiträge und die Diskussion sowie der Landesvertretung Rheinland-Pfalz für die Gastfreundschaft. „Der Ausblick von Frau Staatssekretärin Raab und Herrn Dr. Knothe zur Reform des Medienkonzentrationsrechts mit einem sehr konkreten Zeithorizont sind vor dem Hintergrund der Vorgaben des EMFA und der geplanten Umsetzung auch des Sektorenmodels wichtige Signale für die Vielfaltssicherung und die künftige Arbeit der KEK“, so Prof. Dr. Gounalakis.